Könnte es sein, dass wir den heranwachsenden Generationen ein falsches Verständnis von Wahrheit vermitteln? In der Vergangenheit bestand oft der Konsens, dass es besser ist, einer unbequemen Wahrheit ins Auge zu sehen, anstatt einer Lüge zu glauben und letztlich damit zu scheitern. Momentan propagieren wie jedoch eine Kommunikation, in der viele junge Menschen nicht mehr damit umgehen können, konstruktive Kritik verarbeiten zu können oder zu müssen.
Eins der beliebtesten Statements in den USA ist der Satz „I am offended.“, was soviel bedeutet wie „Ich fühle mich angegriffen.“ oder „Ich bin beleidigt.“. Nun, Beleidigungen sind niemals gut – genauso wenig wie Diskriminierung. Leider können solche Aussagen inflationär verwendet werden. Wer sich diskriminiert oder beleidigt fühlt, weil er den Müll rausbringen, dem Unterricht folgen oder für eine Klausur lernen soll, oder weil die Benotung einer Prüfung leistungsgerecht erfolgt, der versteckt sich hinter Schlagworten, die eigentlich in einen anderen Zusammenhang gehören.
Sich diskriminiert oder beleidigt zu fühlen, weil man eine bestimmte Hautfarbe oder Herkunft hat, ist in jedem Fall verständlich. Wenn jedoch in einem Unternehmen, der Universität, der Schule oder in der Politik konstruktive Kritik, die Beschreibung eines Mangels, der behoben werden muss oder ein guter Verbesserungsvorschlag nicht zur Diskussion gebracht werden, weil irgendjemand sich verletzt fühlen und ggf. sogar mit Klage drohen könnte, dürfte dies wenig hilfreich sein.
Macht es wirklich Sinn, z.B. bei einem Sportwettkampf jedem eine Medaille zu überreichen, nur weil er angetreten ist, unabhängig vom Ergebnis? Nur, weil sich jemand diskriminiert oder herabgesetzt fühlen könnte – oder weil eine Klage unzufriedener Eltern droht? Wenn Training, Leistung und ein gesunder Ehrgeiz nicht mehr belohnt werden – wo sollen Innovation und Fortschritt herkommen? Wenn ein Läufer 10 Sekunden auf 100 Meter läuft, ist er nun einmal schneller, als jemand, der 11 Sekunden benötigt – ganz gleich welche Hautfarbe, Größe oder Herkunft er hat. Derjenige, der 11 Sekunden läuft, sollte sich vom Gewinner anspornen lassen, intensiver zu trainieren und in der nächsten Saison möglicherweise siegen zu können. Ein Klage wegen Diskriminierung oder unfairer Schiedsrichter sollte nur erfolgen, wenn dem offensichtlich so ist – und nicht aus der Unfähigkeit heraus, einer Wahrheit Auge in Auge gegenüber stehen zu können.
PS: Im oben genannten Sport-Beispiel gehe ich natürlich von einem fairen Wettkampf unter vergleichbaren Bedingungen aus. Man wird natürlich nicht einen 13-Jährigen gegen einen 18-Jährigen antreten lassen. Genau dafür existieren ja Alters- oder Gewichtsklassen. 😉